Um was geht es eigentlich, wenn ich ein Lied, ein musikalisches Stück wiedergebe? Geht es um eine möglichst individuelle Interpretation oder darum, möglichst „wahrheitsgetreu“, d.h. im Sinne des Komponisten das Werk darzustellen? Und welches Ziel verfolge ich mit meinem Spiel, mit meinem Gesang?
Oftmals ist zu erleben, dass Musiker ihrer Kunst durch den Ausdruck ihrer eigenen Gefühle eine persönliche Färbung geben. Dies kann auf die Zuhörer beispielsweise so wirken, dass sie ganz mitgerissen werden und eintauchen in eine sehnsüchtige Gefühlswelt. Generell kann man beobachten, dass die Menschen eher „entrückt“ erscheinen, wie in ihrer eigenen Welt.
Ganz anders wirkt es, wenn ein Musiker sich die Mühe macht, ein Musikstück zu erforschen und zu versuchen, dieses im Sinne des Komponisten wiederzugeben. Dies erfordert Disziplin, muss er doch darauf achten, eigene, vorschnelle Interpretationen oder Assoziationen zurückzuhalten. Man könnte es auch als Empathie bezeichnen: ein empathisches Hinhören, ein fragendes Lauschen, um dem Zuhörer ein möglichst unverfälschtes Ergebnis zu präsentieren. Auf diese Weise entsteht das Stück frei im Raum, es wird neu geschaffen und sowohl Zuhörer als auch Musizierender kommen über das gemeinsame Thema in eine freiere Beziehung. Die Menschen erscheinen präsenter.
Der Musiker kann sich also die Frage stellen:
Möchte ich den Menschen eine schöne Wunschwelt bieten, in der sie für Momente dem Alltag entfliehen können?
Oder ist es mir wichtig, dass das Werk an sich mehr herauskommt und die Menschen dieses kennenlernen?
Ein (wie ich finde recht gelungenes) Beispiel für eine Wiedergabe ohne große Eigeninterpretation:
https://www.youtube.com/watch?v=JCTQTp1PdnA
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